Dieser Reisebericht handelt über Singapur, welches als touristisches Reiseziel keinen leichten Stand hat. Die meisten Urlauber nehmen den Stadtstaat als zubetonierte Großstadt mit kalten Wolkenkratzern und Shopping Malls wahr, in dem sich bestenfalls ein oder zwei Tage verbringen lassen. Auch ich hatte diese Vorurteile im Kopf, als ich mit dem Bus von Melaka über Johor Bahru nach Singapur einreiste. Doch schon der erste Eindruck war ganz anders als erwartet, denn der Bus entließ seine Fahrgäste nicht im Herzen der Innenstadt, sondern vor einem leicht heruntergekommenen Einkaufszentrum nördlich des Viertels Little India. Dieser Reisebericht soll daher vielleicht eine etwas andere Sicht ermöglichen.
Leicht desorientiert standen wir mit unseren Rucksäcken in der tropischen Hitze und fragten uns, ob dies nun wirklich das hochglanzpolierte Singapur war. Doch dann stellten wir fest, dass der Ankunftsort eigentlich ideal war, denn wir hatten ein günstiges, sauberes Boutique Hotel in Little India gebucht, das wir nun problemlos zu Fuß erreichen konnten. Auch die wuseligen indisch geprägten Straßen mit ihren vielen Stoffläden, Schneidereien und Garküchen war so gar nicht das, was ich erwartet hatte.
Stadt mit unterschiedlichen Gesichtern
Das Singapur aus dem Fernsehen mit seinen Wolkenkratzern fanden wir erst nach einem Spaziergang entlang der Victoria Street, die ins koloniale Herz der Stadt führte. Und auch dann war der Stadtstaat bei Weitem keine Betonwüste wie beispielsweise Manhattan. Lediglich im Bankenviertel jenseits des Singapore River ragen etwa ein Dutzend stählerner Wolkenkratzer in den tropischen Himmel – ansonsten präsentiert sich die Stadt grün, weitläufig und sehr lebendig. Direkt am Fluss wurden mehrere Uferstreifen mit uralten Handelshäusern sorgfältig restauriert, die heute als Clarke Quay und Boat Quay herrliche abendliche Ausflugsziele sind. Hier fanden wir abends fast automatisch immer wieder her um leckeres Essen direkt am Flussufer zu genießen und den vielen Menschen aus aller Welt zuzusehen, die vorbeiströmten.
Unsere Befürchtung, dass die Stadt extrem teuer sein könnte, bewahrheitete sich ebenfalls nicht: Selbst die Lokale an den Quays waren für europäische Verhältnisse recht günstig und auch hier hat sich die herrliche asiatische Tradition der Hawker Center erhalten, eine Ansammlung an ausgesprochen günstigen Garküchen, die köstliche Gerichte zu kleinen Preisen verkaufen und die an niedrigen Plastiktischen ganz zwanglos eingenommen werden. Das einzigartige Völkergemisch aus Chinesen, Malaien, Indern und Arabern sorgt dafür, dass die Küche des Stadtstaates ausgesprochen vielfältig ist und man eigentlich schon eine ganze Woche bleiben müsste, um die vielen lokalen Köstlichkeiten auszuprobieren.
Viel ist nicht mehr übrig geblieben von historischen kolonialen Herz der Stadt: An der Mündung des Singapore River wacht eine Statue von Sir Stamford Raffles, dem Gründer der Stadt, über “sein” Werk und am Padang existiert noch immer der Singapore Cricket Club. Doch nirgendwo schlägt das koloniale Herz der Stadt so laut wie im Raffles Hotel, einem schneeweißen Prachtbau, dessen Zimmer leider weit außerhalb unseres Budgets lagen. Das Hotel erlaubt jedoch auch Nicht-Gästen im schattigen Innenhof unter Palmen Afternoon Tea zu genießen oder einen Singapore Sling zu trinken, während die Geister berühmter britischer Autoren wie Rudyard Kipling und Somerset Maugham ganz nahe zu sein scheinen. Da reichte das Geld dann auch noch für eine Souvenirtasse des Hotels aus dem Shop.
Singapur besteht längst nicht nur aus der dicht bevölkerten Innenstadt: Nur eine kurze Busfahrt entfernt liegt zum Beispiel die vorgelagerte Insel Sentosa, die zwar teilweise mit Vergnügungsparks zugepflastert ist, aber noch viele ruhige Ecken bietet. So waren wir am künstlich aufgeschütteten Strand fast völlig allein und abgesehen von den dicken Tankern, die ab und zu auf dem Meer dahinschipperten, hätten wir genauso gut auf einer einsamen Insel sein können und nicht am Rande einer Millionenstadt. Viele weitere Rückzugsorte gibt es im Herzen der Insel, zum Beispiel die Bukit Timah Nature Reserve und den Jurong Bird Park, in dem jedoch ziemlich nervige große asiatische Reisegruppen unterwegs waren. Aber auch das Shopping auf der berühmten Orchard Road ist nicht mit den überfüllten Fußgängerzonen europäischer Städte zu vergleichen, denn auf den sehr breiten Bürgersteigen und in den weitläufigen Malls verteilen sich die Menschen sehr gut. Und auch wenn man getrost darauf verzichten kann bei Mango oder H&M einzukaufen, bieten die Malls doch eine gute Gelegenheit sehr günstig wunderschöne chinesische Tischware, Dekostoffe oder Seidenblusen einzukaufen, die später zuhause an die Reise erinnern.
Zuletzt noch ein Wort in diesem Reisebericht zu den von ausländischen Besuchern gefürchteten drakonischen Strafen: Bei den meisten Vorschriften handelt es sich ganz einfach um “Common Sense”. Schließlich gehört es sich auch in Europa nicht, Kaugummis auf die Straße zu spucken oder öffentliche Toiletten zu versauen. Wer sich zivilisiert benimmt, hat auch in Singapur nichts zu befürchten und wird eine wunderbare Zeit in dieser überraschend schönen Stadt verbringen.
Ich hoffe dieser Reisebericht konnte einen leicht anderen Blick vermitteln und dazu ermuntern, dieses Ziel einmal selbst erkunden zu wollen!
—
–