Seit meine Tante mir vor einigen Jahren eine Postkarte von einer Südostasien-Kreuzfahrt geschickt hatte, die den wunderschönen Kek Lok Si Tempel von Penang zeigte, hatte ich darauf gebrannt, diesen Tempel mit eigenen Augen zu sehen. Doch ich ahnte noch nicht, wie sehr mich diese Insel begeistern würde.
Mehr noch als in Melaka, Singapur oder gar Kuala Lumpur ist auf Penang das Erbe der britischen Kolonialzeit spürbar, das sich nicht nur in den schönen schneeweiß gestrichenen Gebäuden rund um den Padang von Georgetown spiegelt, sondern auch in den vielen schönen Villen aus jener Zeit, die die Straßen säumen und heute häufig verlassen sind und traurig vor sich hingammeln. Auch unser Hotel war in einer solchen alten Villa untergebracht und zeigte leider recht deutlich, dass Chinesen und Europäer andere Vorstellungen davon haben, was im Urlaub wichtig ist. So zeigte uns der Besitzer ganz stolz den nagelneuen großen Plasma-Fernseher in unserem Zimmer, während mir beim Anblick des Badezimmers die Haare zu Berge standen. An Schlaf war jedoch ohnehin nicht zu denken: Wir waren (zufällig!) zum Ende des chinesischen Neujahrsfest nach Penang gekommen und im chinesisch geprägten Georgetown wurde die ganze Nacht über mit den größten Böllern, die ich je gesehen habe, gefeiert. Egal, es war auf jeden Fall ein tolles Erlebnis.
Irgendwann wird mein Budget vielleicht einmal ausreichen um im Eastern & Oriental Hotel zu übernachten, jenem weißen kolonialen Prachtbau, das gemeinsam mit dem Raffles Hotel und dem Strand Hotel in Yangon (Burma) im späten 19. Jahrhundert von den vier Sarkies Brüdern erbaut wurde, armenischen Einwanderern aus der Türkei. Frisch restauriert, mit einem Swimming Pool direkt am Meer, steht das “E & O” dem Raffles heute kaum noch nach und wer sich die Unterkunft in einer der 99 Suites nicht leisten kann (normale Zimmer gibt es keine), kann zumindest in der Bar einen Cocktail schlürfen und sich vorstellen, wie Großbritanniens koloniale Autoren Somerset Maugham und Rudyard Kipling am Nebentisch über ihre neuesten Werke diskutierten.
Und dann natürlich der Tempel meiner Träume! Mit einer alten Bergbahn, der man kaum zutraut, den Penang Hill hinauf zu kommen, geht es nach Air Itam, wo sich der Eingang zum Kek Lok Si Tempel befindet. Dabei handelt es sich nicht um einen Tempel, sondern um eine ganze Ansammlung verschiedener Tempel in den leuchtendsten Farben. Zum Ende des chinesischen Neujahrs war er sogar noch bunter herausgeputzt als sonst und mit hunderten Papierlaternen geschmückt, die über den Freiflächen hingen. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten gehören die riesige Statue der chinesischen Göttin Guan Yin und die 30 Meter hohe Ban Po Thar-Pagode, die “Pagode der zehntausend Buddhas”, die aus einem chinesischen Fundament, einem thailändischen Mittelteil und einer burmesischen Spitze zusammengefügt wurde um so die verschiedenen Strömungen des Buddhismus harmonisch miteinander zu vereinen. Beeindruckend waren aber auch die vielen chinesischen Dämonen, die in den halbdunklen, von dutzenden Räucherstäbchen vernebelten Tempeln drohend auf die Besucher herabsehen. Der Kek Lok Si Tempel mag überlaufen und touristisch sein und – so der Kommentar meiner Begleitung – an “Kirmesbuden” erinnern, doch ich persönlich empfinde die lebendigen, knallbunten chinesischen Tempel als wesentlich lebensfroher und positiver als die oft düsteren, spärlich eingerichteten Kirchen Europas.
Natürlich hat Penang noch eine ganze Menge mehr zu bieten, zum Beispiel den Schlangentempel im Süden der Insel und den schönen Strand von Batu Ferringhi, an dem sich ein oder zwei Tage Pause von den Sightseeing-Touren machen lässt. Rückblickend lässt sich für mich sagen, dass Penang das wohl lohnenswerteste Ziel für alle Malaysia-Besucher ist, die nicht im ganzen Land umher reisen wollen, denn die schöne Insel bietet Strände, Sehenswürdigkeiten und viel Flair. Wer mehr über die Vergangenheit Penangs wissen will, sollte zudem das Buch “The Gift of Rain” von Tan Twan Eng lesen, das die Geschichte eines jungen anglo-chinesischen Mannes zur Zeit des 2. Weltkrieges und der Besatzung Penangs durch die Japaner schildert.
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